Da bekommt man doch eine Krawatte
Altes Modestück in neuem Glanz. Beim bloßen Gedanken daran, einen Schlips zu tragen, bekam ich früher regelmäßig eine Krawatte. Gemeint: nicht das Herrenaccessoire, mit dem man den Dresscode erfüllt, sondern die schlechte Laune beim Tragen desselbigen. Früher war der Binder eine Qual. Optisch im typischen Design der 1970er und 1980er Jahre. Mehr geschmacklos als schick. Die Farben standen für Tristesse pur und die breiten Balken, die man seinerzeit Streifendesign nannte, wirkten plump und unkleidsam – aber immerhin hielt der breite Kulturstrick beim Essen die Flecken von den Herrenhemden fern, wenn´s mal daneben ging. Wie dem auch sei. Wenn es um die Krawatte geht, halte ich es seit 3 Jahrzehnten wie Grönemeyer:
„Was soll das? Womit habe ich das verdient?“
Schatz, ist das wirklich deiner?
Es heißt ja immer so schön, der Apfel fiele nicht weit vom Stamm. Man sollte meinen, dass mein Sohn meine Krawatten-Aversion geerbt und mit dem Tragen des Kulturstricks so gar nichts anfangen könnte. Weit gefehlt. So berichtete ich unlängst, dass Sohnemann ein schickes Herrenhemd wünschte, um bei der nächsten Sportauszeichnung dem feierlichen Anlass entsprechend gekleidet zu sein. Als Junior obendrein mitteilte, er bräuchte unbedingt auch eine passende Krawatte, konnte meine Frau es sich nicht verkneifen:
„Schatz, ist das wirklich deiner?“
Ja, da fällt mir mein Filius doch glatt in den Rücken und hält uns einen Vortrag, wie „in“ moderne Krawatten seien und schickte uns kurzerhand via Messenger den Link zu Krawattenforum.com, wo er eine leuchtend blaue Krawatte entdeckt hatte, die er zu seinem schwarzen Hemd tragen will.
Woher kommt die Krawatte eigentlich?
Mein Sohn wird freiwillig zum Schlipsträger, zeigt großes Interesse am Styling und will so gar nicht verstehen, was sein alter Herr gegen die Binder einzuwenden hat. Und tatsächlich, der Schlips gehört seit vielen Jahren, nämlich einer Erzählung nach seit 1663 zu uns Männern. Nämlich seit einer Truppenparade zu Zeiten des Sonnenkönig Ludwig XIV, als ein kroatisches Reiterregiment vor dem im Bau befindlichen Versailler Schlosses aufmarschierte. Jene Reiter sollen eine Stoffrosette am Revers getragen haben. Dies habe den Sonnenkönig derart beeindruckt, dass dieser daraus die erste Form der Krawatte erfunden haben soll, die die Männermode revolutionieren sollte. Ein neuer Berufszweig, nämlich der Cravatier wurde am königlichen Hof eingeführt und fortan war der royale Binder ein unverzichtbares Herrenaccessoire, welches zunächst nur den Vornehmen vorbehalten war.
Die Krawatte im Wandel der Zeit
Moderne Krawatten haben mit den historischen Bindern nicht mehr all zuviel gemein. Jene Modelle, die in den 1960er bis 1980er Jahren meine Aversion erzeugten, sind zum Glück out und der Schlips ist wirklich tragbar geworden. Die neuen Stoffe machen den Binder pflegeleicht. Einige können problemlos in der Waschmaschine gereinigt werden, andere haben eine spezielle Beschichtung (z. B. Teflon) und sind daher pflegeleicht. Zur gängigen Krawattenlänge von etwa 145 Zentimeter gibt es nun auch längenangepasste Binder für große Männer. Die Breite wurde verschmälert, die Designs sind feiner und zeitgemäß geworden. Der mir so vergrämende Bold Look (breiter Schlips, kurze Bindung) gehört längst der Geschichte an, denn heute tragen wir die Krawatte bis 2/3 Handbreit über der Gürtelschnalle. Farblich haben nicht nur die Herrenhemden, sondern auch die Krawatten selbst einen frischen Wind von den Designern verpasst bekommen, so dass sich für jeden Geschmack die richtige Kombination finden lässt. Wenn´s also das nächste Mal mit dem Sohn zur Preisverleihung geht, werde ich wohl keine Ausrede mehr haben, nicht auch guten Geschmack bei der Wahl meiner Mode zu beweisen und Schlips zu tragen. Doch bis es soweit ist, übe ich erst einmal, wie ich bei der Krawatte den Knoten richtig binde:
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