Bildung, Ausbildung, arbeitslos?
Hat die Jugend echte Berufschancen? Wer Arbeit will, findet sie! So hieß es, als ich jung war und als Schulabgänger mich um meine Ausbildung kümmerte. Es schien – verglichen mit heutigen Zeiten echt einfach. „Bub, was willst du denn später mal werden?“ Lokführer, Maurer, Feuerwehrmann, Polizist – mit entsprechender schulischer Bildung im Gepäck war es möglich, den Einstieg in eine gewünschte Ausbildung zu schaffen.
Wer sich nicht ganz blöde anstellte, konnte tatsächlich großen Einfluss auf die eigenen Berufschancen nehmen. Der Einstieg in den Traumberuf war nicht unmöglich und kaum ein junger Mensch mit Schulabschluss wurde nach der Schulzeit arbeitslos oder bekam keine Chance auf eine ordentliche Ausbildung. Als Lehrling bzw. Azubi wurde dann das Fundament an Fachwissen erlernt und somit standen meiner Generation die Rüstmittel für Arbeit zur Verfügung.
Meiner Frau erging es ebenso. Noch bevor sie die Schule durch ihren Abschluss beendete, hatte sie bereits den Ausbildungsvertrag bei dem größten deutschen Glashersteller Schott in der Tasche und der Einstieg in eine sehr gute berufliche Sparte erwies sich als ein Kinderspiel. Dank unserer gut angesehenen Ausbildungen hatten wir nie Probleme, einen sicheren Arbeitsplatz in Festanstellung bzw. den Einstieg in die Selbständigkeit zu finden.
Heute leben wir in einer Zeit, wo Bildung tagtäglich in den Medien und in der Politik thematisiert wird. Sie gilt als Schlüssel für den beruflichen Erfolg und beinahe als Garant, nicht arbeitslos zu werden. Allerdings fühlt sich diese Darstellung in der Realität anders an. Selbst Menschen mit bester Bildung müssen kleben gehen.
Für Ausbildung und Berufschancen kämpfen
Als Vater eines erwachsenen Kindes weiß ich davon ein Lied zu singen. Der junge Mann hat alles richtig gemacht und sich der schulischen Bildung nicht verschlossen. Zwar nicht immer in der Schule der Fleißigste, machte er mit einem kurzen Umweg auf die Hauptschule dann doch die Mittlere Reife. Sogar mit Erfolg, denn irgendwann reifte der Spross und es folgte die Erkenntnis:
„Für meinen Berufswunsch muss ich was zum Vorzeigen auf der Hand haben!„
Eisenbahner – das will er werden. Ziel, eine Ausbildung zum Lokführer zu absolvieren, lässt sich für ihn lediglich durch Umwege erreichen. Einerseits sieht der große Arbeitgeber in dem Bereich eine vorausgegangene Berufsausbildung gerne, andererseits muss man das erforderliche Mindestalter von 21 Jahren erreicht haben, um nach der Ausbildung überhaupt Personen befördern zu dürfen.
Für meinen Sohn hieß das: Die Zeit zwischen Schulabschluss und Ausbildung im Traumberuf zu überbrücken, eine andere Lehre voranzustellen, möglichst nicht arbeitslos zu werden. Als Vater erfüllt mich doch ein gewisser Stolz. Anders als bei vielen Jugendlichen ruht sich mein Sohn nicht auf den Problemen seiner Generation aus.
Heute ist es alles andere als einfach, auf direktem Weg in den Wunschberuf zu marschieren und arbeitslos ist ein Zustand, den er niemals erleben will. Am eigentlichen Berufsziel festhaltend stieg er nach dem Schulabschluss in eine kaufmännische Berufsausbildung ein und zeigte bis zur Abschlussprüfung und darüber hinaus Durchhaltevermögen, seinen Lebenslauf für die nächsten Bewerbungen beim Eisenbahnunternehmen sauber zu halten.
Berufswünsche heute schwer erreichbar
Glücklicherweise haben meine bessere Hälfte und ich die Berufe erlernen können, die uns vorstrebten. Keine Umwege oder Quereinstiege. Direkten Weges von der Schule in die Ausbildung konnte unsere Generation Berufschancen ergreifen. Damals wurde das Thema Bildung längst nicht so groß geschrieben und trotzdem kamen wir beruflich voran.
icht nur Deutschland, ebenfalls der Arbeitsmarkt hat sich verändert. Die Jugend von heute hat es schwer, wenngleich das Angebot an Bildung nie besser schien. Aber nicht allein die Jugendlichen empfinden den Arbeitseinstieg als schwierig. Ebenso klagen immer mehr Unternehmen, Probleme zu haben, qualifizierten und zuverlässigen Nachwuchs zu finden.
Die Generation „Läuft bei dich!“ macht es vor allem kleinen und mittelständischen Betrieben nicht leicht, engagierte Azubis zu finden. Sicher mag eine mögliche Ursache für diese Problematik darin geschuldet liegen, dass sich viele der jungen Menschen nicht mehr ihren Traumberuf aussuchen können und häufig Bewerbungen in diverse Ausbildungsberufe streuen müssen, um überhaupt einen Ausbildungsplatz zu bekommen. Doch wer engagiert sich schon wirklich, wenn er etwas tun soll, was ihm keinen Spaß macht?
Jugendliche an die Hand nehmen
Arbeitslos zu werden, bedeutet mehr denn je den sozialen Abstieg und den Eintritt in Frustration, Resignation und Armut. Obwohl mittlerweile selbst die beste Schulausbildung kein Garant für dauerhafte Festanstellung ist, ist sie jedoch notwendig, um Berufschancen zu öffnen.
Geht es um Bildung und Ausbildung, halte ich es als Vater erforderlich, Jugendliche an die Hand zu nehmen und sie bei der Orientierung zu begleiten. Keinesfalls muss das mit dem gestrengen erhobenen Zeigefinger passieren.
Eine wie ich finde lobenswerte Initiative findet sich z. B. bei Chance Azubi, die sich inzwischen zum Verein zusammengeschlossen hat. Das Vereinsziel: Unterstützung in der beruflichen Orientierungsphase zu leisten und Schüler und Eltern rund um das Thema Ausbildung zu informieren. 130 ausbildende Betriebe aus den unterschiedlichen Branchen machen mobil, um sich für bessere Berufschancen der Jugendlichen einzusetzen.
Es bleibt natürlich nicht einzig bei rein informativen Hilfestellungen, sondern es gibt auch konkrete Ausbildungsangebote, wie etwa von Hero Glas, eine Unternehmensgruppe, die seit mehr als 40 Jahren im Bereich der Glasveredelung tätig ist und sich Chance Azubi angeschlossen hat. Glas herstellende Unternehmen bilden zahlreiche Berufe aus, die nicht zwingend mit der Glasverarbeitung zu tun haben. Im Falle meiner Frau war es eine Ausbildung zum Maschinenbauzeichner; aber ebenso wird beispielsweise zum
- Mechatroniker
- Zerspanungsmechaniker (FR Drehtechnik/Frästechnik)
- Kaufmann
- usw.
ausgebildet. Erwachsene können Kinder darin unterstützen, sich nicht ausschließlich auf einen bestimmten Berufswunsch festzulegen, sondern sich auch in anderen Berufen umzuschauen.
Oft gibt es attraktive Alternativen, wenn der Traumberuf nicht erreichbar ist oder sogar noch gar nicht entdeckt wurde. Ein sehr gutes Beispiel ist in den Glas erzeugenden Betrieben das Berufsbild des Glasbläsers (Glasapparatebauer) zu finden.
Diesen Job hat meine Frau seinerzeit erst durch Ihre Ausbildung zum Technischen Zeichner Fachrichtung Maschinenbau kennengelernt, weil sie beim betrieblichen Werksunterricht mit den Glasbläsern zusammen saß. Soll heißen: Junge Menschen haben im Alter als Schulabgänger keinen Überblick über die Berufswelt und können mit Hilfe der Eltern deutlich Berufschancen verbessern, wenn sie nicht nur bei der Bildung unterstützt werden, sondern auch frühzeitig auf alternative Berufsrichtungen hingewiesen werden.
Sich heutzutage kompromisslos auf einen Berufswunsch zu versteifen, schmälert die Chance, Ausbildung und Arbeit zu bekommen. Daher ist es ebenfalls wichtig, dass Eltern den Nachwuchs auch über die Möglichkeit des Quereinstiegs informieren, denn ohne Bildung und arbeitslos zu sein, kann und darf keine Perspektive werden.
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